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09. Mai 2023, 11:51 Uhr | Bereich

Visionen in messbare Ziele umwandeln

Von der Klimawoche im Quartier bis zum vegetarischen Standardmenü in der Mensa: An den Workshops zu «Gemeinsam wirkt» sprudelten die Ideen für Klimaschutz im Konsumbereich. Wie werden aus spannenden Diskussionen und vollgeschriebenen Flipchartbögen handfeste Massnahmen, die der Stadtrat beschliessen kann? Das erklärt Valentin Delb, Klimaexperte und Partner der Beratungsfirma econcept, im Interview.

Valentin Delb, Klimaexperte econcept

Herr Delb, econcept begleitet die Stadt St.Gallen auf dem Weg zur Klimaneutralität im Bereich Konsum und Ressourcen. Was genau ist Ihre Aufgabe?

Wir prüfen die Massnahmen, die im Rahmen der Workshops zu «Gemeinsam wirkt» vorgeschlagen wurden. Jene, die eine grosse Wirkung für den Klimaschutz haben, umsetz- und finanzierbar sind, übersetzen wir in Massnahmen, die der Stadtrat beschliessen kann. Dabei können wir unsere Erfahrung aus der Beratung anderer Städte einbringen.

Wie sieht diese Übersetzung und damit das Resultat Ihrer Arbeit konkret aus?

Für jedes Handlungsfeld erstellen wir ein Blatt, das nach dem Beschluss durch den Stadtrat als Auftrag und Orientierungshilfe für die Umsetzung dienen kann. Darauf beschreiben wir, was zu tun ist, um die Treibhausgasemissionen im jeweiligen Handlungsfeld zu senken. Bei der Ernährung geht es zum Beispiel darum, Food Waste und den Fleischkonsum zu reduzieren. Dann führen wir auf, wer was tun müsste, um das Ziel zu erreichen. Die Stadt nimmt eine Vorbildrolle ein und kann mit gutem Beispiel in ihren eigenen Verpflegungsbetrieben vorangehen, zum Beispiel bei Mittagstischen und Horten. Wo die Stadt nicht selbst direkt handeln kann, geht es um die Frage, wie sie Konsumentinnen, Konsumenten und Unternehmen zum gewünschten Handeln motivieren oder sie unterstützen kann. Wir halten fest, bis wann eine Massnahme umgesetzt sein soll, wie hoch der finanzielle und personelle Aufwand ist und welche gesetzlichen Grundlagen bestehen. Ohne diese kann der Staat nicht handeln. Wichtig ist auch die Messbarkeit, denn letztlich will man ja wissen, welche Wirkung eine Massnahme erzielt. Also legen wir Indikatoren für die Messung fest. All das wird auf dem Blatt zum Handlungsfeld abgebildet.

Die Kosten sind üblicherweise ein wichtiges Entscheidungskriterium, gleichzeitig dürften sie oft nur schwer abschätzbar sein. Wie lösen Sie das?

Es ist wichtig, eine Massnahme möglichst konkret zu formulieren. Dann lassen sich die Kosten gut abschätzen. Geht es zum Beispiel um eine Informationskampagne als Massnahme, prüfen wir, wie hoch der Aufwand für die Kommunikationsfachleute der Stadt wäre und ob dieser intern geleistet werden könnte. Wenn nicht, klären wir ab, wie hoch die Kosten bei einer Agentur wären. Auch Förderbeiträge für externe Klimaschutzmassnahmen können so geschätzt werden.

Sie haben Ihre Erfahrung mit anderen Städten erwähnt. Wenn Sie das Vorgehen der Stadt St.Gallen mit jenem dieser Städte vergleichen: Was fällt Ihnen auf?

Die Stadt St.Gallen war ja Vorreiterin im Bereich der energiebedingten Treibhausgasemissionen – mit dem Energiekonzept 2050 und der Roadmap für Wärme, Strom und Mobilität. Die meisten Städte arbeiten erst jetzt an diesem Teil des Klimaschutzes. Sich auf den Bereich Konsum und Ressourcen fokussieren, wie es die Stadt St.Gallen nun tut, so weit gehen andere Städte meist nicht. Umgekehrt schlagen manche ein höheres Tempo an und wollen schon 2040 oder 2035 klimaneutral sein. Sehr speziell ist auch der Konsultationsprozess der Stadt St.Gallen: Dass man derart viele Menschen, auch von Unternehmen, für die Teilnahme gewinnen konnte, halte ich für einmalig. So kamen nicht nur Leute, die bereits im Klimabereich aktiv sind, sondern auch Interessierte aus weiteren Kreisen. Das führte zu spannenden Diskussionen. Und nur gemeinsam mit Organisationen und Unternehmen kann die Stadt ihre Ziele erreichen. Klimaneutralität ist eine globale Herausforderung und die Städte sind hier wichtige Treiber: Viele Innovationen kommen aus den Städten und verbreiten sich von dort weiter.

Was und wie wir konsumieren, ist weitgehend Privatsache. Hier stellt sich für viele die Frage, wie die Stadt denn überhaupt etwas bewirken kann.

Das ist nur die halbe Wahrheit, dass Konsum Privatsache sein soll. Die konsumbedingten Umweltbelastungen beziehen sich auf den Konsum von Privathaushalten, Unternehmen und Verwaltung und umfassen die direkten Umweltbelastungen im Inland sowie die Umweltbelastungen entlang des gesamten Produktlebenszyklus. Für eine Reduktion der Umweltbelastungen braucht es sowohl Anpassungen auf der Konsumseite als auch auf der Produktionsseite. Die Stadt kann also für sich selbst im Sinne des Klimaschutzes handeln und zudem dafür sorgen, dass Privathaushalte und Unternehmen zum Handeln motiviert werden und die nötigen Informationen erhalten. Neben dem Wollen ist auch das Können entscheidend, also dass die Menschen und Unternehmen überhaupt die Möglichkeiten und Fähigkeiten haben, sich im Sinne des Klimaschutzes zu verhalten. Auch hier kann die Stadt einen Beitrag leisten, indem sie die nötigen Informationen, Rahmenbedingungen und Angebote zur Verfügung stellt oder finanziell unterstützt – zum Beispiel beim öffentlichen Verkehr oder bei der Wieder- und Weiterverwendung von Gegenständen durch Sharing, Repairing, Secondhand und Recycling. Klar ist, dass Vorschriften im Konsumbereich heikel sind. Nicht zuletzt ist es wichtig, dass die Stadt ihren politischen Willen und den Glauben an den Erfolg klar ausdrückt.

 

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