Zeitungsbilder von Bedrohungen und Katastrophen: malerisch übersetzt in leuchtende Farbspektakel – Beatrice Dörig eröffnet mit Spektrale neue Wahrnehmungsebenen. Die St.Galler Künstlerin ent- und rekontextualisiert in ihrem Schaffen Fotoarchive, um sich das Zeitgeschehen in einem mehrstufigen Prozess anzueignen. In ihren jüngsten Arbeiten befasst sie sich mit der Intensitätsverteilung von Bildelementen und Farben sowie deren kritischer Ästhetisierung.
Spektrale geht die Serie betörend schön (2012)voraus; kleinformatige Farbstiftzeichnungen, die mediale Bilder zum Motiv haben wie das Atomkraftwerk Mühleberg, eine Autofahrt im Schnee, Deepwater Horizon und ein Taifun in Fukushima. Dörig erfasste die Fotografien digital, zeichnete sie ab und löste die Aufnahmen so aus ihrem Kontext. Ohne Begleitgeschichte, Datum und Titel fungieren die Abzüge als persönliche Wiedergaben einer Stimmung, als Andenken oder Antrieb für neue Interpretationen. In einem weiteren Modifikationsprozess überblendete Dörig die Fotografien zu Gesamtbildern, welche die Rezeptionsleistung herausfordern. Die Motive lassen sich nicht mehr identifizieren, sind aber trotzdem präsent und verfliessen zu intensiven Impressionen. Einzelne Fragmente davon lichtete die St.Gallerin wiederum ab und überführte sie in farbenstarke Ölbilder auf Leinwand (Spektrale, 2014).
Durch die transmediale Verschiebung reflektiert die Künstlerin das Bild als Träger von Informationen und dessen Materialität. Pressefotografien sind Illustrationen unserer Zeit – sie verschaffen dem Geschehen Transparenz und prägen unsere Wahrnehmung von künftigen Ereignissen. So gegenwärtig sie jedoch sind, so schnell gehen sie vergessen. Hier setzt Dörig an, wenn sie durch die ästhetische Transformation die Lebensdauer und Aussagekraft von visuellen Zeitzeugnissen befragt. Die künstlerische Dynamisierung der Sujets, das Spiel mit Licht und Intensionen, ermöglichen eine neue Wahrnehmung dieser drückenden Szenen.